Simone de Beauvoir: Turban und schwarzer Trägerrock

Ursel Braun über Simone de Beauvoir1. Die kleine Simone musste die abgetragenen Kleider der reichen Verwandtschaft auftragen. Von ihren Mitschülerinnen wurde sie wegen ihrer schäbigen Kleidung verspottet.

2. Als Studentin flocht sie ihre Haare zu zwei dünnen Zöpfen und trug sie um den Kopf gewickelt. „Wenn sie die Zöpfe fest genug steckte, hielt die Frisur ein paar Tage, ohne dass sie sie jeden Morgen neu zurechtmachen musste; schließlich war ihr die Zeitersparnis wichtiger, als mit der Mode Schritt zu halten, und so behielt sie diese Frisur für den Rest ihres Lebens.“

3. Nachdem Sartre sie zu seiner Geliebten erkoren hatte, wies er sie gelegentlich darauf hin, dass er sich weigere, mit ihr auszugehen, wenn die Säume ihres abgetragenen und schmuddeligen Schottenkleides in Fetzen hingen und ihre Wollstrümpfe voller Löcher waren. In jenen Jahren fiel es ihr schwer, ihre Garderobe in Ordnung zu halten, weil sie sich lieber in Bücher vergrub.

4. Mit ihrem Eintritt ins Berufsleben als Philosophielehrerin und dem ersten, selbst verdienten Geld änderte sie ihr Bekleidungsverhalten. Bemüht, alles richtig zu machen, aber desinteressiert an Mode, machte sie zunächst alles falsch. Sie suchte „sich ein dünnes graues Seidenkleid aus, dessen frivoler Schnitt nicht recht für den Alltag taugte, und dazu billige Schuhe in der gleichen Farbe, die bald ausgetreten waren und den Eindruck unbeholfener Schäbigkeit noch verstärkten.“

5. Um solche Fehlausgaben in Zukunft zu vermeiden, verordnete sich Beauvoir ein Studium der Modezeitschriften, allen voran der Marie-Claire.

6. Sie lernte schnell. Als sie im Herbst 1931 eine Stelle in Marseille übernahm, berichtet eine ehemalige Schülerin: „Sie kam in einer lila Seidenbluse über einem Plisseerock, jung, das schwarze, mit Kämmen hochgefegte Haar in Kontrast zu ihrer hellen, transparenten, mit blauem Lidschatten geschminkten Augen. Wir waren jahrelang von steifen, alterslosen Frauen mit Haarknoten unterrichtet worden. Fräulein von Beauvoir erschien uns unglaublich glamourös.“

7. Ihr modisches Markenzeichen, den Turban, entdeckte sie aus einem praktischen Grund. Sie schrieb: „Wegen der Stromsperren arbeiteten die Friseure unregelmäßig; eine Wasserwelle wurde zur Staatsaffäre; deshalb kamen auch die Turbane in Mode, sie ersetzten Hut und Frisur. Ich hatte sie schon ab und zu getragen, weil sie bequem waren und mir standen; jetzt bekehrte ich mich endgültig zu ihnen.“

8. Nach Kriegsende wurde Beauvoir zu einer Vortragsreise nach Spanien und Portugal eingeladen, bei der sie nach eigenen Aussagen nach den Entbehrungen der Kriegszeit in einen wahren Kaufrausch verfiel. „Noch nie hatte ich mich solchen Ausschweifungen hingegeben; da meine Verlagstournee gut bezahlt wurde, legte ich mir eines Nachmittags eine komplette Ausstattung zu: drei Paar Schuhe, eine Handtasche, Strümpfe, Wäsche, Pullover, Kleider, Röcke, Hemden, eine weiße Leinenjacke und einen Pelzmantel.“

9. 1947 bezeichnete sie das Magazin The New Yorker als „die schönste Existenzialistin, die man je gesehen hat“. Die Autorin stand inzwischen auch außerhalb Frankreichs im Rampenlicht und fand es amüsant, in den internationalen Zeitungen die Rolle einer echten pariserischen Erscheinung zu spielen.

10. In einem Interview, das sie 1978, sie war 70 Jahre alt, Alice Schwarzer gab, sagte sie: „Ich habe mich nie sehr auf die Schönheit verlassen. Als ich 30, 35, 40 war, konnte es mir passieren, in den Spiegel zu schauen und mich ganz passabel zu finden. Aber es ist mir nie so gegangen wie manchen Frauen, die ich kenne – und die ich auch schätze und mag -, die ganz auf ihre Schönheit gebaut haben und dann nur sehr schwer mit dem Altern zurechtkommen. Wichtig war mir vor allem mein Kopf, alles andere war sekundär.“

11. Jenseits der Siebzig trug sie die Garderobe einer älteren Frau, die über Geld und Geschmack verfügte: figurfreundliche, schwarze Trägerröcke, denen sie mit auffälligen Oberteilen und darauf abgestimmten Turbanen oder Turbanbändern extravagante Noten verlieh.

12. Der von ihr in den Kriegsjahren aus der Not entdeckte Turban wurde zu einem Accessoire des Jetsets. Ikonen wie Grace Kelly und Marisa Berenson trugen ihn und Yves Saint Laurent machte seine kunstvoll verschlungene Version aus Seide in seiner ersten Couture-Show im Frühjahr/Sommer 1962 zu einem Signature Piece.

13. Den Londoner Parfümeur Timothy Han inspirierte Beauvoirs Debütroman zu dem exklusiven Parfüm „She came to stay“.

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