Maria Callas wurde von vielen Zeitgenossen als Perfektionistin beschrieben. Unbarmherzig schlampigen Kollegen gegenüber, aber auch hart gegen sich selbst. Im Alter von 30 Jahren wog sie 108 Kilo. Sie litt unter ihrer plumpen Figur und den unförmigen Kleidern, die sie tragen musste und entschloss sich zu einer erbarmungslosen Diät, durch die sie es schaffte, in einem Jahr 62 Pfund abzunehmen.
Auf die Frage eines Reporters, wie es ihr gelungen sei, in kurzer Zeit so viel Gewicht zu verlieren, antwortete sie: „Ich hatte einen Bandwurm. Jetzt habe ich keinen mehr.“ Schlank wie ein Mannequin (Taillenumfang 59 Zentimeter) schlenderte sie im darauf folgenden Sommer in einem mit Rosen bedruckten Overall durch Portofino. Sie hatte jetzt die erhoffte Traumfigur, doch hatte die radikale Gewichtsabnahme auch negative Folgen für ihren Stoffwechsel, ihr Nervensystem und möglicherweise auch für ihre Stimme. Um ihr Gewicht zu halten, hielt sie sich mit eisernem Willen und großer Disziplin an eine strenge Diät. „Um Kraft zu gewinnen, besonders wenn sie singen musste, aß sie rohes Fleisch oder auch rohe Leber, die sie nur mit einigen Tropfen besten Öls zu Brei zerstampfte.“
Ihre bevorzugte Designer für ihre Tages- und Abendgarderobe waren Dior, Saint Laurent und die Mailänderin Biki (Elvira Leonardi Bouyeure), eine Enkelin Puccinis, die den typischen Callas-Look mit schmalen, ärmellosen Abendroben und schwarzen bodenlangen Abendcapes erfand. Die Callas überließ ihr Styling gerne Experten. Vor Reisen ließ sie sich von Biki Outfits für diverse Gelegenheiten zusammenstellen, ordentlich in Koffer verpacken und auf Listen samt Accessoires eintragen.
Bei ihren Besuchen in den Modesalons entdeckt sie, dass eine elegante Garderobe ihr im gnadenlosen Opernbetrieb Sicherheit verlieh. So wurde Kleidung für sie zu einer Waffe, die sie bewusst einsetzte. Festliche Abendkleider mit hermelinbesetzten Schleppen, zu denen sie lange Handschuhe aus Seidensatin trug, bezeichnete sie als ihre „Kampfoutfits“.
Die Callas liebte Luxus-Looks. Sie trug einen bodenlangen Chinchillamantel, Nerzkappen und -stolen und sie hatten einen Faible für große Schmuckstücke, passend zu ihren Augen und ihrer Statur Und sie hatte einen Trick. Sie betonte ihre besten Merkmale, ihre großen, dunklen Augen, durch einen markant geschwungenen Lidstrich und Hochsteckfrisuren mit seitlich gekämmtem Pony und kaschierte die weniger attraktiven wie ihre etwas stämmigen Beine und Knöchel.
Ein sattes Türkis so wie auf dem auf dem Foto abgebildeten seidenen Abendmantel von Balenciaga war die Lieblingsfarbe der Sängerin.
Der griechische Reeder Aristoteles Onassis war knapp 20 Jahre älter als Maria Callas. Als Tankerkönig wurde der notorische Frauenheld zum reichsten Mann der Welt. Er lud die Sängerin gemeinsam mit Winston Churchill und dessen Frau Clementine zu einer Kreuzfahrt auf seine Yacht ein. Die „Christina“ legte im Juni 1959 in Monte Carlo ab. Schnell bahnte sich eine Liebesbeziehung zwischen der Callas und ihrem griechischen Landsmann an. Das Prekäre daran: beide waren noch verheiratet, doch sie trennten sich von ihren Ehepartnern. Endlich das vermeintlich private Glück in Händen haltend, trat die Musik zum ersten Mal im Leben der Callas in den Hintergrund, und sie träumte von einer gemeinsamen Zukunft mit Onassis. Als dieser sie plötzlich fallen ließ und im Herbst 1968 Jackie Kennedy heiratete, erfuhr sie davon aus den Nachrichten im Fernsehen. Sie entschied sich dafür, sich ihren Schmerz nicht anmerken zu lassen. Am nächsten Tag ging sie zu ihrem Coiffeur Alexandre; am Abend erschien sie in einer elegante Abendrobe und mit ausgesuchten Juwelen im Chez Maxim´s.
Über ihre Arbeit als Sängerin sagte sie: „ Die Verantwortung einer Primadonna ist enorm. Sie muss wahnsinnige Selbstdisziplin üben. Die Arbeit, die Proben, absolute Pünktlichkeit, ständige Selbstkontrolle. Anfangs hat man nichts zu verlieren. Aber wenn man erst einmal berühmt ist, müsste man verrückt sein, um keine Angst zu haben. Ich bin nicht verrückt. Ich stehe mit den Füßen immer fest auf dem Boden, aber ich kann nicht wissen, was in den Köpfen der Zuschauer vorgeht. Der Ruhm ist gefährlich, denn ich weiß genau, ich werde nicht immer jene Höchstleistungen erbringen können, die von mir erwartet werden. Ich mache meine Arbeit so gut wie möglich, aber ich bin auch nur ein Mensch. Mit dem Ruhm ist die Angst gekommen: Angst vor mir selbst. Angst vor den anderen.
1966 bezog sie ein Appartement im der Avenue Goerges Mandel im 16. Pariser Arrondissement. Hinter dessen verdunkelten Fenstern verbrachte sie ihre letzten Jahre in einer Traumwelt, und hielt Zwiesprache mit Toten. In einem Brief, der in Verona wie eine Ikone ausgestellt wird, schrieb sie kurz vor ihrem Tod im September 1977 mit nur 53 Jahren: „Kein Kind, keine Familie, kein einziger Freund“.
Nach ihrem Tod wurde ihr Nachlass in Paris versteigert, darunter ein Chinchilla-Mantel, ein Paar langer weißer Handschuhe, unzählige Chanel-Kostüme und sogar ihre Dessous.
Um das Renommé der Sängerin nicht zu beschmutzen, wurde die Unterwäsche vorab von einer griechischen Stiftung erworben, die sie verbrannte und die Asche ins Meer streute.
„Nicht ihre Koloraturen sind überwältigend, nicht ihre Arien, sondern allein ihr Atemholen, ihr Aussprechen. Sie hat nicht Rollen gesungen, niemals, sondern auf der Rasierklinge gelebt.“ schrieb Ingeborg Bachmann 1960 in ihrem Entwurf zu einer Hommage an Maria Callas.
(Eine gekürzte Version des Textes erschien im Januar 2023 in der Wiener Zeitschrift SEIN Magazin.)
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